Die Ausschlagungsfrist bei Erben mit Betreuer
Das Oberlandesgericht Celle hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2024 - 6 W 142/24 (ErbR 2025,412) eine praxisrelevante Entscheidung zur Ausschlagungsfrist bei betreuten Erben getroffen.
Der Sachverhalt:
Eine Frau verstarb im Januar 2024 ohne ein Testament verfasst zu haben. Die gesetzliche Erbfolge sah ihren Bruder und ihren Neffen als Erben vor. Der Bruder informierte den Betreuer des Neffen schriftlich über den Todesfall und das Fehlen eines Testaments, mit der Bitte um Rückmeldung bezüglich Annahme oder Ausschlagung. Nach ausbleibender Antwort beantragte der Bruder einen Erbschein. Erst nach dessen Zustellung an den Neffen erfolgte die Erbschaftsausschlagung nebst hilfsweiser Anfechtung der stillschweigenden Annahme.
Die rechtliche Bewertung:
Das Gericht stellte die Verfristung sowohl der Ausschlagung als auch der Anfechtung fest. Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der Erbe Kenntnis vom Erbfall und seinem Berufungsgrund erlangt. Diese Kenntnis muss nicht zwingend durch das Nachlassgericht vermittelt werden - jede Informationsquelle ist ausreichend.
Das zentrale Prinzip:
Die Kenntnis des Betreuers wird dem betreuten Erben automatisch zugerechnet. Bei unterschiedlichen Kenntniszeitpunkten zwischen Betreutem und Betreuer ist der frühere maßgebend Im vorliegenden Fall war bereits das Schreiben des Bruders an den Betreuer ausreichend für den Fristbeginn.
Gerichtliche Klarstellung der Rechtslage:
Das OLG Celle betont ausdrücklich, dass die sechswöchige Ausschlagungsfrist ab dem Moment beginnt, in dem der Erbe vom Erbschaftsanfall und den Gründen seiner Berufung erfährt. Dabei ist nicht erforderlich, dass diese Information vom Nachlassgericht stammt. Alle denkbaren Informationsquellen kommen in Betracht. Im entschiedenen Fall reichte daher das Schreiben des Bruders an den Betreuer des Neffen vollständig aus. Die Kenntnis des Betreuers wird dabei dem Neffen automatisch zugerechnet, da bei der Beurteilung der Geschäftsfähigkeit auf den früheren Kenntniszeitpunkt abzustellen ist - also darauf, ob der Betreute oder wie hier der Betreuer zuerst von den relevanten Umständen erfuhr.
Diese Rechtsprechung unterstreicht die besondere Verantwortung und Sorgfaltspflicht von Betreuern in erbrechtlichen Angelegenheiten.